Vereinigung ehemaliger Wolbecker Gartenbauschüler e.V.

Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau

Grüezi aus der Schweiz

Im Jahrgang 2004 bis 2006 besuchte Dominik Nordhaus die Fachschule in Wolbeck. Im ersten Jahr absolvierte er die Meisterprüfung und im darauf folgenden Jahr als erster Jahrgang die Prüfung zum Agrarbetriebswirt im Bereich Garten- und Landschaftsbau. Dann ging es in die Schweiz.

Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau

Blick auf Eiger, Mönch und Jungfrau

Es waren zwei gute Jahre in Wolbeck. Man lernte neue Menschen kennen, die unterschiedliche Interessen hatten, doch alle sprachen von der grünen Branche, so fand man schnell zusammen. Wir haben nicht nur gelernt und Münster unsicher gemacht, nein; wir gingen sogar für den Erhalt der Schule demonstrieren, leider wohl vergebens.

Während der Schulzeit überlegte ich, was ich anschließend machen könnte. Durch einige Gespräche mit Schulkollegen, die schon im Ausland gearbeitet hatten, entschied ich mich dazu, mich in der Schweiz zu bewerben. Zu der Zeit kannte ich noch nicht viel von diesem Land außer dem Vorurteil, dass es ein reiches, unabhängiges Land sei mit guten Löhnen.

Doch die Schweiz ist ein kleines Land mit einer Fläche von 41.285 km². Von Nord nach Süd sind es maximal 220 km und von Ost nach West 348 km. Von der Fläche gelten ca. 25 % als unproduktiv, weil sie aus Bergmassiv wie Fels bestehen. Die Schweiz besteht aus 26 Kantonen. Die Hauptstadt ist Bern mit ca. 130.000 Einwohnern. Bern ist von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt worden.

In der Schweiz spricht man vier Amtssprachen: Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch, wobei das Deutsche als Schwizerdütsch zu verstehen ist. Von den 7,5 Millionen Einwohnern sind 20,6 % Ausländer. Ich bin einer davon. Die Schweiz ist mit einem Bruttoinlandsprodukt von durchschnittlich 58.000 Schweizer Franken (ca. 35.000 Euro) pro Einwohner und Jahr eines der wirtschaftlich stärksten Länder der Welt, z.B. im Vergleich mit Deutschland (ca. 24.000 Euro). Drei Viertel der Erwerbstätigen sind im Dienstleistungssektor tätig.

Firma Bill und Meyer Gärten in Bern

Firma Bill und Meyer Gärten in Bern

Die Schweiz versteht sich als außenpolitisch neutral. Sie ist Mitglied der UNO, der EFTA, des Europaparats, der WTO, nicht aber der Europäischen Union. In der Politik kann das Volk über Initiativen und Referenden direkten Einfluss auf die Regierungstätigkeit nehmen. Somit hat das Volk ein größeres Stimmrecht als bei uns. Das Volk würde z.B. abstimmen, ob der Euro eingeführt würde oder nicht. In der Armee sind ca. nur 5 % Berufssoldaten, die anderen 95 % sind Wehrdienstleistende. Weltweit einzigartig ist die Abgabe der persönlichen Waffe an den Wehrmann. Angehörige der Armee bewahren ihre Waffe mit Munition zu Hause auf. So entstand die Redewendung „Die Schweiz hat keine Armee, die Schweiz ist eine Armee.“ Jedoch wundert man sich immer noch, wenn die Wehrdienstleistenden am Wochenende mit ihrer Waffe am Bahnhof stehen, um mit dem Zug heimzufahren.

Das Sozialversicherungsgesetz ist ebenfalls anders als bei uns. Jeder Bürger muss sich privat gegen Krankheit versichern mit einer Selbstbeteiligung. Der Betrag wird nicht vom Lohn einbehalten, sondern je nach Vertrag z.B. vierteljährlich in Rechnung gestellt.

Das Land ist gekennzeichnet durch seine Berge und Seen. Es gibt 74 Viertausender, der höchste davon ist die Dufourspitze mit 4634 m. Der bekannteste Berg ist wohl das Matterhorn mit 4478 m. Die bekanntesten Seen sind der Bodensee, Genfersee, Zürichsee sowie der Thunersee. Trotz vieler Berge können durch das dichteste Bahnnetz der Welt fast alle Orte mit der Bahn erreicht werden. Nicht an die Eisenbahn angeschlossene Ortschaften werden generell durch Linienbusse oder Postautos angebunden.

Die Schulzeit der Kinder beträgt neun Jahre; täglich ist auch nachmittags Unterricht. Die erste Fremdsprache ist Französisch und dann Englisch. In den Gebieten, wo Französisch und Italienisch gesprochen wird, ist die erste Fremdsprache Deutsch.

Die Menschen leben hier gelassener, sind freundlicher und zum Teil hilfsbereiter als bei uns. Wahrscheinlich liegt es daran, dass die Bevölkerungsdichte nicht so hoch ist und mehr Wert auf Familie gelegt wird. Ich bin hier in den Musikverein eingetreten und konnte schnell Kontakte knüpfen. Sie haben auch den Stolz, die Schweizer, dass sie trotz des kleinen Landes so eigenständig und unabhängig sind.

Über eine Arbeitsvermittlung, die nur Gärtner vermittelt, habe ich rasch eine Stelle bekommen. Ich könnte mir vorstellen, wenn sich die deutschen Agenturen für Arbeit auf Branchen spezialisieren würden, könnten die Arbeitslosen besser vermittelt und die Arbeitslosenzahlen könnten gesenkt werden. Bei der Stellensuche musste ich auch die Erfahrung machen, dass bei der Einstellung Schweizer Bürger bevorzugt werden, welches ich als richtig empfinde. Insgesamt hat die Schweiz zurzeit nur 2,8 % Arbeitslose. Ich hatte mich in drei Betrieben vorgestellt und dann für den Betrieb Bill und Meyer Gärten in Bern-Köniz entschieden. Der Betrieb liegt eine Viertelstunde von meinem Wohnort entfernt.

Bill und Meyer Gärten beschäftigt 20 Mitarbeiter und im Sommer mit temporären Arbeitskräften bis zu 30 Mitarbeiter. Es sind vier Kolonnen auf der Baustelle und vier Kolonnen im Pflegebereich tätig. Zurzeit haben wir drei Lehrlinge, welche hier im ersten Jahr nur im Unterhalt tätig sind und erst im zweiten und dritten Lehrjahr im Bau eingesetzt werden. Die Abschlussprüfung der Auszubildenden setzt einen besonderen Schwerpunkt auf Pflanzenkenntnisse. Zusätzlich muss jeder Auszubildende ein Bauwerk alleine erstellen, welches dann bewertet wird. Es kann z.B. eine Mauer, ein Sitzplatz oder ein Thema wie Steingarten oder Wassergarten sein. Daraus entstehen häufig die Schaugärten der Betriebe.

Im Betrieb wird für besondere planerische Aufwendungen eine Landschaftsarchitektin hinzugezogen. Der Betrieb besteht seit über 30 Jahren und ist seit diesem Jahr vom Senior zum Sohn überschrieben worden. Wir gehören dem Netzwerk Gärten an in dem auch einige deutsche Firmen beteiligt sind. Dort werden Erfahrungen, Ideen sowie Kennzahlen ausgetauscht. Zusätzlich sind wir über Living Association organisiert. Betriebe und Lieferanten arbeiten dort zusammen, entwickeln Konzepte sowie Gestaltungen für Gärten. Zusammen stellen wir auf der größten Schweizer Gartenbaumesse „Giardina“ in Zürich aus. Der Betrieb hat keine große Grundfläche, ist aber durch ein Zwei-Etagen-Bauwerk interessant gelöst. So befinden sich ein Schaugarten und das Lager auf dem Dach. Maschinen und Fahrzeuge werden in der Halle abgestellt, an die sich das Büro anschließt.

In den ersten Wochen habe ich festgestellt, dass hier stressfreier gearbeitet wird und die Pausen genau eingehalten werden. Von 09:00 bis 09:30 Uhr ist „Znüni Pause“ und von 12:00 bis 13:00 Uhr ist Mittag. Am Morgen zum Frühstück geht man in der Regel in eine „Beiz“ (Restaurant). Zum Mittag fährt man je nach Entfernung zurück zum Betrieb, um sein Mittagessen zu nehmen, oder geht aus zum Essen. Im Mittag haben auch alle Lieferanten geschlossen. So ist es mir zu Anfang mal ergangen, dass ich im Mittag Beton holen wollte, den wir anschließend weiterverarbeiten wollten, jedoch stand ich vor einem geschlossenen Tor und musste bis 13:00 Uhr warten.

Meine Tätigkeit ist die Bauleitung auf der Baustelle mit anschließender Rapportierung, Nachkalkulation und Erstellung von Rechnungen. Donnerstags erstellen wir gemeinsam die Wochenplanung und die Einteilung der großen Maschinen. Jedes Bauteam hat einen eigenen Lieferwagen mit eigenem Werkzeuganhänger, in dem alle nötigen Werkzeuge sowie Kleinmaschinen vorhanden sind.

Wir besitzen keine LKWs, weil die Unterhaltskosten mit der Mautgebühr zu teuer sind. Ab einer Menge von 3 m³ lohnt es sich schon, über einen Spediteur beliefern zu lassen. Aushub wird in der Regel über Abrollcontainer abgewickelt; das erfordert eine gute rechtzeitige Koordination.

Im Allgemeinen sind die Löhne hier höher als in Deutschland, aber die gesamten Lebenskosten sind ebenfalls höher, und am Ende bleibt einem nicht mehr als in Deutschland. Man muss mit einbeziehen, dass wir offiziell eine 42-Stunden-Woche und nur 20 Tage Urlaub haben; da kann ich es manchmal nicht verstehen, dass in Deutschland in einigen Branchen schon für eine 36-Stunden-Woche gestreikt wird. Bei den Aufträgen wickeln wir alles ab, von 100 Schweizer Franken bis Ende offen. Bei Herrn Cleusters lernten wir viel über die Sieblinie. Gut, dass ich da nicht so aufgepasst habe. Ich will damit sagen, dass unsere Normen doch oft von Vorteil sind. Hier gibt es die SIA-Norm, die sehr ähnlich der deutschen ist; sie wird aber scheinbar in der Praxis nicht so beachtet. Die Qualität ist gleichwertig, aber wir haben in Deutschland schon einen hohen Qualitätsstandard. Oftmals ist die Belieferung der Baustelle interessant, weil die Häuser am Hang gebaut und mit Maschinen schwer erreichbar sind; so müssen wir oft einen Kran einsetzen.

Die Freizeit kann man in der Schweiz super nutzen und genießen. Wenn man es liebt, draußen zu sein, ist es fantastisch zum Wandern, Mountainbiken oder im Winter zum Ski- oder Snowboardfahren. Im Sommer bieten sich viele Seen zum Baden oder Grillen an. In kurzen Fahrtzeiten kann man viele Sehenswürdigkeiten erreichen; so ist man schnell in Genf, Zürich oder im Berner Oberland, wo Eiger, Mönch und Jungfrau ein herrliches Bergpanorama bilden.

Dominik Nordhaus mit einem Kollegen

Dominik Nordhaus mit einem Kollegen

Viele Grüße aus der Schweiz nach Westfalen von

Dominik Nordhaus

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