Vereinigung ehemaliger Wolbecker Gartenbauschüler e.V.

Ahornblätter. Foto: Pexels, pixabay.de

Arbeiten, leben und reisen in Neuseeland

Florian Rieger aus der Produktionsklasse 2007 – 2008 ergänzte seine Sprach- und Baumschulkenntnisse in Neuseeland. Bei der „Stepping Stones Nursery“ liegt ein Schwerpunkt auf Ahorn – mit viel Handarbeit.

Ahornblätter. Foto: Pexels, pixabay.de

Ahornblätter

Liebe Wolbeckerinnen und Wolbecker, ich besuchte die Fachschule Wolbeck im Fachbereich Produktion von 2006 – 2008, ich war also der letzte Jahrgang, der zwei Jahre lang den Wolbecker Geist erleben durfte. Noch bevor ich im Sommer 2008 schweren Herzens Wolbeck verließ, war mir klar, dass ich ein weiteres Jahr im Ausland verbringen wollte. Da mir ein englischsprachiges Land in meinem Lebenslauf fehlte, fiel mir persönlich die Wahl nicht sehr schwer. Da ich bereits vor einigen Jahren mehrere Wochen Neuseeland besucht hatte, wollte ich dieses wunderbare Land noch einmal nicht nur als Tourist erleben.

Da ich in Neuseeland in einer Baumschule arbeiten wollte, die international agiert, fiel meine Wahl auf die Stepping Stones Nursery. Den Geschäftsführer hatte ich im Jahr 2007 auf der IPM in Essen getroffen. Ich erzählte ihm, dass ich gerne in Neuseeland in seiner Baumschule arbeiten würde. Da regelmäßig Ausländer bei der SSN arbeiten, willigte er ein und so konnte die Planung beginnen. Wichtig für mich war auch, dass meine damalige Freundin und jetzige Frau Sylvi mit in der Baumschule arbeiten konnte.

Im September 2008 flogen wir über Hong Kong, wo wir einige Tage Urlaub machten, nach Auckland. Dort blieben wir einige Tage, um uns einen fahrbaren Untersatz zu besorgen. Da wir uns recht gut auskannten, ging dies relativ zügig und wir begaben uns auf die 400 km lange Strecke nach New Plymouth an der Westküste der neuseeländischen Nordinsel. New Plymouth liegt in der touristisch relativ unerschlossenen, aber sehr schönen Provinz Taranaki.

Nachdem wir uns bei Stepping Stones vorgestellt hatten und wir den Produktionsleiter Laurence kennengelernt hatten, zogen wir in unser neues Zuhause für die nächsten zwölf Monate ein. Wir hatten das Glück, in dem leerstehenden Elternhaus unseres Chefs Eliott wohnen zu können. Das hieß für uns: ein großes Haus auf seiner Farm für uns alleine. Nebenbei lebten um das Haus herum – neuseelandtypisch – noch ca. 80 Schafe und 20 Kühe. Außerdem kümmerten wir uns um den Rottweiler Bob, der als Wachhund auf der Farm lebte.

Der Arbeitsalltag in Neuseeland ist sehr gegensätzlich zu dem europäischen. Zum einen läuft alles etwas ruhiger, langsamer und relaxter ab. Da es sich bei Gärtnerarbeiten in Neuseeland um einen absoluten low paid job handelt, sind relativ wenige Männer in der Baumschule beschäftigt. Es arbeiten viele Frauen in der Baumschule, die den Job neben Familie und Kindern ausführen. Insgesamt kann man sagen, dass nur ca. 20% Männer bei SSN arbeiten, die meistens in Führungspositionen angestellt sind. Insgesamt sind bei Stepping Stones ca. 45 Mitarbeiter angestellt plus ca. 20 Saisonkräfte in der pflegeintensiven Sommerzeit zwischen Dezember und Januar und der Versandzeit von Juni bis August.

Auf einer Fläche von ca. 50 Hektar liegt der Produktionsschwerpunkt von Stepping Stones in Oregon auch eine zweite Baumschule betreibt, zudem noch Europa – dort vor allem England.

Da es sich um eine Jungpflanzenbaumschule handelt, ist der Anteil an aufwendiger Handarbeit sehr hoch. Der Arbeitsschwerpunkt der Kulturarbeiten liegt zum einen beim Veredeln der Ahorne im Sommer und Winter, einmal durch seitliches Anplatten und durch Okulation. Diese Arbeiten und das Absetzen der Pflanze werden durch eine Kolonne von ca. 15-20 Personen ausgeführt. Eine zweite Kolonne von ca. 12-15 Personen ist mit dem Stäben, Heften und Schneiden der Pflanze beschäftigt.

Hinzu kommen kleinere Arbeitsgruppen, die die üblichen Kulturarbeiten wie z.B. Unkraut- und Schädlingsbekämpfung, Bodenbearbeitung und andere Pflegemaßnahmen ausführen. Natürlich ändern sich die Kolonnengrößen je nach Jahreszeit und Arbeitspensum.

Das Besondere an der Produktion der Ahorne ist, dass die Pflanzen im offenen Boden veredelt werden. Das Klima ist das ganze Jahr relativ ausgeglichen, das Wetter ist maritim geprägt. Durch die direkte Nähe zum Meer sind die Winter nie sehr kalt. Es kommt nur selten zu Nachtfrösten, die Sommer sind zwar heiß, aber doch recht angenehm, da die Meeresbrise fast immer zu spüren ist. New Plymouth liegt im Schatten des 2500 Meter hohen Vulkans Mount Taranaki. Der fruchtbare vulkanische Boden ist sehr nährstoffreich und macht eine mineralische Düngung überflüssig. Es reicht, durch regelmäßige Gründüngung dem Boden organische Substanz zuzuführen.

Den Verkauf der Pflanzen übernimmt der Chef Eliott selbst – außerdem arbeitet ein Handelsvertreter mit Sitz in England und Frankreich für ihn.

Der Versand der Pflanzen beginnt je nach Witterung im Neuseeländischen Winter ab ca. Mitte Juni bis Mitte August. Es wird ausschließlich per Flugzeug verfrachtet, so dass die Pflanzen innerhalb kürzester Zeit den Kunden erreichen. Die Pflanzen werden in stabile, mit Plastik ausgelegte Pappkisten gepackt. Die Wurzeln werden mit feuchtem Moos bedeckt. Die Pflanzen werden vor dem Packen von Erde befreit und geschnitten. So passen je nach Größe der Pflanzen zwischen 100 – 1000 Pflanzen in eine Kiste. In der Regel sind die Pflanzen 48 – 72 Stunden nach dem Packen beim Kunden.

Insgesamt lässt sich sagen, dass es eine sehr interessante Erfahrung war, in Neuseeland zu arbeiten. Zwar war für mich fachlich nicht zu viel Neues zu lernen, aber vor allem menschlich und persönlich war die Erfahrung wichtig.

Das Angenehme war, dass wir kurzfristig Urlaub nehmen konnten und viel Zeit hatten, das wunderschöne Land zu bereisen. Nachdem im Jahr 2006 unser Reiseschwerpunkt auf der Südinsel lag, bereisten wir diesmal intensiver die Nordinsel. Natürlich stand auch ein vierwöchiger Trip auf die landschaftlich sehr abwechslungsreiche Südinsel auf dem Programm. Hier bereisten wir vor allem Regionen, die wir 2006 nicht – oder nur kurz – besucht haben. Höhepunkt diesmal war der malerische Arthur‘s Pass, der die West- mit der Ostküste verbindet. Es folgen die Golden Bay und der Abel Tasman Nationalpark.

Da New Plymouth relativ zentral auf der Nordinsel liegt, war es eine perfekte Basis für unsere Reisen.

Die Highlights der Nordinsel sind in unseren Augen der im Zentrum gelegene Tongariro Nationalpark mit seinen noch immer aktiven Vulkanen. Dort entstanden viele Aufnahmen für den Film ‚Der Herr der Ringe‘. Der Nationalpark ist vor allem für die Wanderroute ‚Tongariro Crossing‘ berühmt. Die ca. 25 km lange Wanderung führt auf fast 2500 Meter hinauf und lässt einen sehr nahen Blick auf die Vulkane, Krater und   Kraterseen zu. Dies ist aber nur eine von vielen sehr schönen Wanderrouten. Außerdem liegt der vulkanische Hotspot Rotorua mit seinen Geysiren, blubberndem Matsch und ständigem Schwefelgeruch in der Nähe.

Sehr schön ist auch die Coromandel Halbinsel mit der wunderschönen Cathedral Cove, den ausgedehnten Wäldern und dem Hot Water Beach. Hier blubbern heiße thermale Quellen bei Ebbe direkt aus dem Sand.

Ein weiterer Höhepunkt ist das Northland. Die Region nördlich von Auckland beeindruckt durch wunderschöne Strände und Inseln in der Bay of Islands, die beeindruckende ‚Kauri Coast‘ mit ihren bis zu 100 Meter hohen und mehrere tausend Jahre alten Kauribäumen. Beeindruckend ist der Ninety Mile Beach, der eigentlich gar nicht so lang ist. Hier ist das Besondere, dass der Strand mit dem Autorbenen Seelen hier Neuseeland in Richtung der alten Heimat verlassen.

Natürlich ist Neuseeland vor allem für seine Naturschönheiten berühmt; erwähnen sollte man aber auch die beiden sehr schönen Städte Wellington, die Hauptstadt Neuseelands, und Auckland. Beide Städte bieten die Möglichkeit, auch mal etwas Stadtleben zu genießen.

Es ließen sich noch Unmengen an weiteren sehenswerten Naturschönheiten der Nord- und Südinsel oder der nahen Südsee wie Tahiti oder der Cook Islands aufzählen. Dies würde allerdings den Rahmen sprengen. Ich kann jedem nur empfehlen, sich einige Wochen Zeit zu nehmen und dieses wunderbare Land selbst zu bereisen.

Vielleicht werde ich in Zukunft wieder mal einen Bericht über meine Reise schreiben, der den Weg in das Ehemaligenheft findet. Es ist nun mal so, dass man nicht mehr aufhören kann, wenn man einmal mit dem Reisevirus angesteckt wurde.

Deshalb bleibt mir noch zu sagen – die Welt ist ziemlich groß und es gibt noch sehr viel zu entdecken.

Florian Rieger, Klasse OP (B), 2007 – 2008

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